Telegram und Fake News

Welche Rolle spielt Telegram bei der Verbreitung von Fake News?

Telegram ist ein Messengerdienst, der inzwischen über 500 Millionen Nutzer hat. Seit 2020 ist das mediale Auftreten des Dienstes groß, doch entstanden ist der Messengerdienst bereits 2013 durch den Russen Pawel Durow, der auch den facebook-Konkurrent „VKontakte“ gründete. Nach eigenen Angaben kam Durow in Konflikt mit dem russischen Staat, weil er diesem keinen Zugriff auf seine Online-Dienste geben wollte. Er lebt mittlerweile im Ausland und stellt Telegram seitdem auch als einen Dienst dar, der sich staatlicher Regulierung entzieht.

 

Angebote und Funktionen von Telegram:

  • Telegram ist eine App, kann aber auch am PC genutzt werden
  • Mit iOS, Windows und Android kompatibel
  • Man benötigt eine Mobilfunknummer zur Registrierung
  • Chat-Funktion: einzeln, private (geschlossene) oder öffentliche Gruppen
  • Videoanrufe
  • Sprachnachrichten
  • Kanäle: hier kann nur der Kanalersteller Beiträge posten, aber die Beiträge können teilweise öffentlich kommentiert werden

 

Telegram als WhatsApp-Alternative?

Sicherheitstechnisch hat Telegram aber einen großen Nachteil: Es gibt keine standardisierte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, wie es bei z.B. WhatsApp seit 2016 der Fall ist. Dadurch können sich Nutzer nicht sicher sein, ob Daten nicht doch abgefangen und von anderen eingesehen werden.  Man kann die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zwar für jeden Chat extra einstellen, aber Gruppenchats haben keinerlei Möglichkeit der Verschlüsselung. Es gibt noch weitere Sicherheitslücken: Beispielsweise werden Metadaten erfasst und Telegram kennt das Telefonbuch. Auf kritische Fragen reagiert das Unternehmen nicht wirklich. Für Menschen, die den Datenschutz bei WhatsApp kritisieren, ist Telegram also keine echte Alternative, auch wenn die App gerne so gehandelt wird.

 

Verfassungsfeinde auf Telegram

Durch die Pandemie entstanden Gruppen der „Coronaleugner“ und „Querdenker“. Daraufhin nahm, wie schon erwähnt, auch das mediale Auftreten von Telegram zu. Zeitgleich wurde die Kritik an dem Messengerdienst lauter. Kritisiert wurde, dass er Verfassungsfeinden aller Art eine Plattform gibt. Verschwörungstheoretiker, Nazis, Reichsbürger oder eben Querdenker: Für sie alle scheint Telegram die ideale App zu sein, um sich zu verbinden, auszutauschen und ihre Meinung zu verbreiten. 

Doch warum ausgerechnet auf Telegram? Ein Grund für die Beliebtheit ist, dass es keine Klarnamenpflicht gibt.  Kommentare unter den Beiträgen auf den so genannten Kanälen können deshalb auf keine reale Person zurückgeführt werden. Das gleiche gilt für die Kanalersteller, die in erster Linie für die Verbreitung der Fake News verantwortlich sind.

Der Politikwissenschaftler Christoph Meißelbach (Hochschule der sächsischen Politik) benennt als weiteren Grund außerdem, dass Telegram einen besonderen Umfang an Funktionen bietet und Funktionen aus unterschiedlichen sozialen Medien vereint. Für die verfassungsfeindlichen Nutzer von Telegram muss es ein Volltreffer sein, dieses Angebot bei einem Anbieter zu finden, der sich damit profiliert, eine vermeintlich sichere, aber unregulierte Plattform zu sein.

Es gibt so gut wie keine Kontrolle seitens Telegram und man kann praktisch alles sagen, schreiben, posten und verbreiten, was man will. Telegram lässt das in der Regel zu. Im Vergleich zu anderen Plattformen wie Facebook oder Twitter löscht Telegram Inhalte extrem selten. Der Messengerdienst ist dafür bekannt, Meinungsfreiheit äußerst weit auszulegen und Behörden abblitzen zu lassen. Das hat die Plattform in autoritären Ländern wie Belarus und Iran zu einem wichtigen Werkzeug für demokratische Protestbewegungen gemacht, führt aber hierzulande auch zur Situation, dass Mordaufrufe einfach stehen bleiben.

Rechtlich beruft sich Telegram darauf, dass er ein Messenger ist. Diese sind im Gegensatz zu klassischen Sozialen Netzwerken weniger bis gar keinen Regulierungen unterzogen, was verbreitete Inhalte angeht. In Gruppen kann es aber bis zu 200.000 Mitglieder geben. Die Followerzahl für einzelne Kanäle ist unbegrenzt. Da stellt sich die Frage, ob Telegram in Teilen nicht doch wie ein soziales Netzwerk funktioniert.

Im Januar 2022 zeigten Recherchen von netzpolitik.org, dass Telegram gegen manche Inhalte aus der deutschen Verschwörungsszene vorgegangen ist. Gruppen ließen sich nicht öffnen, Kommentare in Kanälen wurden nicht angezeigt. Es handelte sich wohl nur um Einzelfälle. Vermutlich reagierte die App damit auf Druck von Apple und Google. Die beiden Konzerne kontrollieren regelmäßig, welche Apps in ihren Appstores verfügbar sind. Halten sich die App-Anbieter nicht an gewisse Regeln, droht ihn der Rauswurf aus den Appstores. Zu den Regeln von Apple gehört etwa, dass Anbieter von Apps mit nutzergenerierten Inhalten „einen Mechanismus zur Meldung unzulässiger Inhalte und zeitnahe Reaktionen auf Beschwerden“ bereithalten müssen. Ebenso muss es die Möglichkeit geben, dass solche unzulässigen Inhalte entfernt werden.

 

Kontrolle durch Behörden

Überwiegend gibt es harmlose Gruppenchats auf Telegram. Gruppen mit einer radikalen Orientierung oder Anliegen wie Drogenverkauf nutzen die Freiheiten der Plattform aber aus und kennen die Schwierigkeiten, auf die Behörden bei Kontrollen stoßen. Außerdem kann das dazu beitragen, Menschen zu radikalisieren, die sich auf Telegram einfach nur umschauen möchten. Die Behörden sind bei Beleidigungen oder Drohungen bisher nur selten aktiv geworden, auch wenn diese teilweise massiv sind. Erschwert wir die Arbeit der Ermittlungsbehörden durch die große Masse an (Hass-) Kommentaren und auch durch die fehlende Klarnamenpflicht. Außerdem ist unklar, wo genau die Telegram-Server stehen.

Sachsens Ministerpräsident, Michael Kretschmer (CDU), für den eine Dresdener Gruppe Mordpläne auf Telegram gehegt hatte, hat zuletzt gefordert, die Plattform stärker zu regulieren. Innenminister von Bund und Ländern haben sich dafür ausgesprochen, auch in Messengerdiensten Hass und Hetze stärker zu verfolgen. Dafür sollte das Netzwerkdurchsetzungsgesetz angepasst und Gesetzeslücken geschlossen werden. Konkret vorgesehen ist, dass soziale Netzwerke bzw. die Anbieter seit Februar 2022 rechtswidrige Inhalte dem Bundeskriminalamt melden müssen. Für WhatsApp oder Telegram gelten diese Regeln (Stand Dezember 2021) nicht.

 

Weitere Informationen

 

Unsere Quellen

 

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